Denkmalpflegerischer Umgang mit geschlossenen Gehölzbeständen im Englischen Garten

Übertragung des Konzeptes von Nymphenburg auf den Englischen Garten in München und weitere Parkanlagen

Ziel der Maßnahme

Nachhaltiger Umbau der geschlossenen Gehölzbestände in stabile, artenreiche und ästhetisch wertvolle Gehölzpartien

Einleitung

Die geschlossenen Gehölzbestände des Englischen Gartens bilden das Grundgerüst des Parkbildes, so wie es von Friedrich Ludwig von Sckell entworfen wurde. Sie bilden Räume, rahmen Durchblicke und erzeugen eine grüne Kulisse, die die Sichtachsen in die Altstadt kunstvoll miteinbezieht. Die geschlossenen Gehölzpartien sind dabei nicht als dichte Wälder zu denken, sondern als abwechslungsreiche Gehölzbestände. Dort finden sich dunkle Partien ebenso wie Lichtungen und Haine. Die „oblicke Linie“ charakterisiert dabei die Ränder der Gehölzgruppen und die Durchblicke in den Himmel aus den Lichtungen heraus. Diese Linie läuft frei und unregelmäßig, erzeugt durch aufgelockerte und artenreiche Gehölzstrukturen.

Im Laufe der 200 Jahre seit der Gestaltung durch Sckell sind wichtige Pflegemaßnahmen in den geschlossenen Gehölzbeständen ausgeblieben. Auf historischen Postkarten sind das Durchwachsen und die Vereinheitlichung der Baumgruppen deutlich zu verfolgen. Resultat waren zu Beginn des 21. Jahrhunderts vom Artinventar einheitliche und oft gleichaltrige, strukturarme Baumquartiere. Es hatte sich in Teilen ein geschlossener Hochwald etabliert, der aus gestalterischer Sicht und v. a. aus Gründen der Bestandserneuerung und Stabilität nicht tragbar war.

 Im Rahmen des Projektes „Schlosspark Nymphenburg –Waldpflege als Denkmalpflege“, das seit 2003 in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) im Schlosspark Nymphenburg stattfindet, wurde ein Vorgehen entwickelt, um geschlossene Gehölzbestände nach gartendenkmalpflegerischen Gesichtspunkten in gesunde und nachhaltige Bestände umzubauen. Dieses Vorgehen wurde nun auch auf den Englischen Garten angewandt und erfuhr damit eine Verallgemeinerung, die es zu einem nützlichen Werkzeug bei der Gehölzpflege in allen Anlagen mit landschaftlichen Gehölzpartien macht.

Nach der Übertragung des Konzeptes auf den Englischen Garten wurden 2015 und 2016 Fortbildungen in Form von Gehölzpflegeseminaren im Park Schönbusch (Aschaffenburg) durchgeführt, an denen auch andere Verwaltungen verschiedener bayerischer Gärten teilnahmen.  

Maßnahmenbeschreibung

Das erarbeitete Konzept für die Gehölzpflege basiert auf dem Prinzip der Förderung und Steuerung natürlicher Prozesse. Zunächst werden in Abstimmung mit den gartendenkmalpflegerischen Zielen Hauptstrukturbäume ausgewählt. Hauptstrukturbäume bilden das Grundgerüst des Parkbildes, sie sind verteilt an Wegekreuzungen, in Blickachsen, am Waldrand und in Hainen zu finden. Neben jüngeren ausgewählten Bäumen werden v. a. alte, noch erhaltene Strukturen auf Grundlage der historischen Pläne aufgespürt und im Gelände markiert.

Für die einzelnen Parkpartien werden auf Grundlage der gartendenkmalpflegerischen Recherche Charakterbäume ausgewählt. Sie dienen als Grundlage für die gewünschte Szene in diesem Parkbereich. Im Englischen Garten finden sich z. B. häufig Baumgruppen, die von einer bestimmten Baumart geprägt sind. Je nach den Eigenschaften dieser Baumart (hell – dunkel, geschlossen – durchlässig) verändert sich so die Atmosphäre der geschlossenen Gehölzbereiche beim Durchschreiten Szene für Szene.

Die so ausgewählten Bäume werden durch behutsame Freistellung derart gefördert, dass sie ausreichend Licht und Raum haben, den gewünschten Eindruck als Einzelbaum oder Baumgruppe zu entfalten. Weiterhin wird für die zukünftige Entwicklung ein Vorrat an Jungbäumen in allen Bestandsschichten begünstigt, um eine stabile Bestandsentwicklung zu erhalten. Dabei ist ein Gleichgewicht anzustreben aus der Verminderung der Konkurrenz um Wasser, der Schaffung von Lichträumen für Naturverjüngung und dem waldartigen Mikroklima in geschlossenen Gehölzbeständen. Der Waldboden wird nicht komplett freigelegt und so vor der direkten Einwirkung der Sonne und damit verbundenen starken Verdunstungsraten geschützt.

Die Kartierung der Hauptstrukturelemente und Entnahme der umliegenden Bäume findet in den Wintermonaten statt. Im unbelaubten Zustand sind die Altersstrukturen der Gehölzbestände am besten zu erkennen. Wichtige Strukturbäume lassen sich gut identifizieren. Zunächst werden die zu erhaltenden Bäume durch Bänder markiert, um im nächsten Schritt die benachbarten, zu dicht stehenden Bäume durch Farbmarkierungen für die Entnahme festzulegen. Zur Auslichtung ergeben sich drei mögliche Maßnahmen: neben der Fällung auch das Ringeln von Bäumen und das Absetzen der Krone / Zurückschneiden auf einen Torso. Mit der Anwendung von allen drei Maßnahmen, können im Inneren von größeren Gehölzbeständen besonders strukturreiche Gehölzbestände geschaffen werden.

Gefällte Bäume können zur Anreicherung des liegenden Totholzes – Stichworte: Verdunstungsschutz und Bodenaufbau – im Inneren des Bestandes verbleiben, sofern dies auch aus gestalterischer Sicht vertretbar ist. Andernfalls ist auch eine Nutzung als Brennholz (Hackschnitzel), Zugabe zum Kompost oder Mulch möglich.

Insgesamt wird der Park nach und nach mit einzelnen Teilflächen pro Entnahmeperiode bearbeitet. So kann zur jeweiligen Situation ausreichend recherchiert werden und die Fällarbeiten sind gut in den Arbeitsplan der Facharbeiter:innen vor Ort integrierbar.

Direkte Effekte

Die räumliche Wirkung der Gehölzbestände und das Parkbild werden deutlich aufgewertet. Durch die Auslichtung der Bestände kann sich zudem mehr Naturverjüngung etablieren, das Nachpflanzen von jungem Pflanzenmaterial in den geschlossenen Beständen kann weitestgehend entfallen.

Indirekte Effekte

Durch die Maßnahmen werden Lebensräume im Altholz, strukturreiche Gehölzränder und eine höhere Baumartenvielfalt erhalten und gefördert, dies kommt dem Artenschutz zu gute.

Die Förderung vielseitiger und vielschichtiger Bestände sowohl in der Arten- als auch in der Altersstruktur legt die Grundlage für langlebige, stabile Bestände in der Zukunft.

Die geförderte Naturverjüngung ermöglicht es auf Baumschulware zu verzichten und so die Gefahr der Einschleppung von Pathogene aus Baumschulquartieren zu vermeiden.

Neben der Verringerung der Bedrängnis von Lichtbaumarten, wie der Eiche oder Kiefer, sorgt die behutsame Entnahme einzelner Bäume auch für eine verminderte Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser.

Eignung / Wertung / Probleme

Die Maßnahmen sind sehr gut geeignet, um die Gehölzbestände in den landschaftlichen Anlagen nachhaltig zu entwickeln.

Begehungen im Juli 2024 haben gezeigt, dass die Naturverjüngung sehr artenreich und gesund vorhanden ist. Die strukturreichen und artenreichen Bestände des Englischen Gartens Süd konnten sich sehr gut von den Trockenjahren 2018-2022 erholen.

Als besonders wichtig hat sich eine angemessene Öffentlichkeitsbeteiligung gezeigt, vor allem bei den Münchner Parkanlagen, die wie der Englische Garten im Zentrum der Stadt liegen. Durch Führungen und erklärende Schilder wurde während der Fällperioden auf das gesteigerte Interesse der Stadtbevölkerung reagiert. Derzeit wird die Maßnahme auf den Nordteil des Englischen Gartens ausgeweitet.

2015 – 2016 fanden Fortbildungen im Englischen Garten, München und in Aschaffenburg, Schönbusch statt, bei dem weitere Außenverwaltungen in das Konzept eingeführt wurden.

Erfolg

sehr guter Erfolg

Monitoring und Dokumentation

Die Maßnahmen wurden in Ortsterminen fotographisch festgehalten. Durch das digitale Baumkataster sind die Maßnahmen darüber hinaus meist einzelbaumgenau dokumentiert.

Umwelt- und Standortbedingungen / Rahmenbedingungen

Der Englische Garten befindet sich in der Münchner Schotterebene am Standort der ehemaligen Isarauen. Daher sind sehr flachgründige Oberböden auf mächtigen Kiesschichten unterbrochen von Sandablagerungen und Lehmlinsen prägend für die Baumstandorte. Zusammen mit den Geländemodellierungen der Wiesentäler und den Auswirkungen der zwei Weltkriege stellt der Untergrund im Englischen Garten ein kleinräumig sehr unterschiedliches Mosaik an Standortbedingungen dar.

Wetterdaten für München Stadt (Quelle: DWD)
Jahresmitteltemperatur (1991-2020): 9,7 Grad Celsius
Höchste Jahresmitteltemperatur (2018 und 2022): 11,3 Grad Celsius
Niedrigste Jahresmitteltemperatur (1996): 8,3 Grad Celsius
Absolutes Temp.maxium (2003): 37 Grad Celsius (gemessen in 2m Höhe)

2022 lag die Jahresmitteltemperatur (1991-2020) mit 11,3 Grad Celsius über dem langjährigen Monatsmittelwert.

Jahresniederschlag im Mittel (1991-2020): 958,7 mm

Höchster Jahresniederschlag (2000): 1191,1 mm
Niedrigster Jahresniederschlag (2003): 656,9 mm

2022 lag die Jahresniederschlagsmenge mit 830,3 mm etwas unter dem langjährigen Jahresmittelwert.

Bemerkungen

Im Vergleich zum ersten Modellprojekt im Nymphenburger Schlosspark, ist das Etablieren von Naturverjüngung im Englischen Garten etwas leichter möglich. Da die einzelnen Gehölzgruppen durch das engmaschigere Wegenetz sehr viel kleiner sind als in Nymphenburg, kommen die Randeffekte mit Lichteinfall stärker zum Tragen.

Für die Erstellung und Ausführung des Konzeptes zur nachhaltigen Gehölzpflege ist waldbauliches Fachwissen zu natürlichem Gehölzwachstum und zur Dynamik in geschlossenen Gehölzbeständen nötig, das mit Zielstellungen der Gartendenkmalpflege zu einem Gesamtkonzept verwoben wird.

Vor und während der Fällarbeiten sollten die Parkbesucher:innen durch Öffentlichkeitsarbeit für die Gründe und Ziele der Maßnahme sensibilisiert werden.

Autoren

Vera Donata Wesinger, Michael Degle | Gärtenabteilung, Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Laufende Betriebskosten

In der Fachabteilung muss eine gartendenkmalpflegerische Zielvorstellung für die Gehölzbestände erarbeitet werden (Zeitaufwand sehr heterogen, je Anlage unterschiedlich komplexe Recherche und Situation).

Download

Weiterführende Literatur

Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (Hrsg.) (2012): Schlosspark Nymphenburg –

Waldpflege als Denkmalpflege und Biotopschutz. LWF Wissen 68

Zuständige Schlösserverwaltung

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Kontakt

Vera Donata Wesinger
Gärtenabteilung, Bayerische Schlösserverwaltung
Schloss Nymphenburg, Eingang 42
80638 München
poststelle@bsv.bayern.de