Denkmalschutzverträgliche Ertüchtigung von Hochwasserschutzeinrichtungen der Wörlitzer Anlagen

Ziel der Maßnahme

Sanierung des in die gartenkünstlerische Gestaltung der Wörlitzer Anlagen einbezogenen Deiches und Anpassung an neue Schutzziele unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen des Denkmalschutzes

Einleitung

Auf Grund seiner Lage in der Elbauenlandschaft ist der Wörlitzer Park (Wörlitzer Anlagen) von Hochwasserereignissen beeinflusst. Schon bei seiner Anlage im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts reagierte man auf damalige Flutschäden und integrierte die entsprechenden Schutzeinrichtungen in die Garten- und Landschaftsgestaltung. So wurde ein Teilstück der Deichlinie, welche die Siedlungen und landwirtschaftlichen Flächen des sog. Wörlitzer Winkels vor Überschwemmungen schützt, in die Parkgestaltung einbezogen und bildet den nördlichen Abschluss der Wörlitzer Anlagen. Über die Grenzen des Parks hinaus sind Zeugnisse des historischen Hochwasserschutzes prägnante Elemente der als UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz geschützten Kulturlandschaft. Neben den in unterschiedlichen Architekturformen gestalteten Wallwachhäusern sind Denksteine mit verschiedenen Bedeutungen (Proteus-Stein bei Wörlitz, Prinzen-Stein bei Oranienbaum) an die Bevölkerung gerichtet und mahnen, die potentiellen Gefahren in der Flussaue in Erinnerung zu behalten und die Schutzeinrichtungen zu pflegen.

Nach dem außergewöhnlichen Hochwasserereignis im August 2002 (Jahrhunderthochwasser der Elbe), bei dem u.a. viele Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt betroffen waren, wurde ein umfangreiches Deichbauprogramm des Landes begonnen. Dieses war auf die Instandsetzung der Schutzanlagen, aber auch auf deren Ertüchtigung und Ausbau gerichtet. Als Folgen des Klimawandels werden jahreszeitliche Verschiebungen der Niederschläge, eine Zunahme von Starkregenereignissen und damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit außergewöhnlicher Hochwasserereignisse prognostiziert. Aus den denkmalpflegerischen Erhaltungszielen zur Bewahrung des Gartenreiches Dessau-Wörlitz heraus stellten sich besondere Anforderungen an diese Vorhaben.

Maßnahmenbeschreibung

Der den Wörlitzer Park auf einer Länge von 1,8 km begrenzende Deichabschnitt (der Wall) wird als Teil der Hauptdeichlinie durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) betreut. Unter Federführung des Landesbetriebs erfolgte die nach dem Hochwasser von 2002 eingeleitete Sanierung. Die gartendenkmalpflegerische Begleitung oblag der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, vertreten durch den damaligen Abteilungsleiter Gärten und Gewässer Dipl.-Ing. Ludwig Trauzettel.

Um Sickerwasserströmungen zu verhindern und damit einer Destabilisierung des Deiches im Hochwasserfall vorzubeugen, wurde eine Kerndichtung eingebaut. Dies erfolgte im patentierten Fräs-Misch-Injektionsverfahren. Dabei wurde mit Hilfe einer speziellen Baumaschine mit Fräskette der Deichkörper längs geschlitzt, das Aushubmaterial mit Zement vermengt und wieder eingebracht. So entstand eine Dichtwand von etwa 9 m Tiefe und 0,5 m Breite innerhalb des Wallkörpers. Um auf dem Deich vorhandene Altbäume erhalten zu können, erfolgte in Teilabschnitten von insgesamt 90 m Länge eine abgewandelte Bauweise. Dort wurde die Dichtung durch eingebohrte Rohre, im Manschetten-Injektionsverfahren mit einem modifizierten Tongemisch verpresst, hergestellt.

Von besonderer Brisanz war die hochwasserschutztechnisch angestrebte Erhöhung des Deiches, um nach den neuen Erfahrungswerten einem 100-jährlichen Hochwasser standzuhalten und dabei ein Freibord von 1 m zu garantieren. Da der Wallkörper in vielfältiger Weise in die Gestaltung der historischen Gartenanlage einbezogen ist, hätte eine vollumfängliche Veränderung wesentliche Beeinträchtigungen der Denkmaleigenschaften mit sich gebracht. Dies betrifft vor allem die auf oder an dem Wall befindlichen Kleinarchitekturen und deren Ansichten vom Weg auf der Wallkrone aus, die Aufgänge und Anschlüsse der Parkwege zur Deichkrone sowie Sichten aus dem Park über den Deich hinweg in die umgebende Landschaft. Im Zuge der Kompromissfindung konnte eine reduzierte Freibord-Höhe vereinbart werden, so dass die Aufhöhungen und die notwendigen Verbreiterungen des Deiches auf ein vertretbares Maß begrenzt blieben. In einem besonders sensiblen Bereich, wo visuelle Bezüge und wertvoller Baumbestand eine Veränderung ausschlossen, soll im Hochwasserfall ein mobiles Deichsystem zum Einsatz kommen und die Erhöhung auf einer Länge von etwa 310 m temporär ermöglichen. Weitere Sicherungen im Verteidigungsfall sind mit dem Verschluss von Öffnungen der Grotten unter dem Venustempel mit Sandsack-Verbau sowie der Anbringung von Verschlusstafeln an Kellerfenstern des Pantheon vorgesehen.

Im Nachgang der Herstellung der Innendichtung und der Erhöhung wurden nach gartendenkmalpflegerischen Vorgaben der Weg auf der Deichkrone und die Anschlüsse an das Wegesystem des Parks wiederhergestellt. Außerdem konnten die Findlingssitze auf dem Wall instandgesetzt werden, von denen aus sich besonders reizvolle Sichten in den Park, aber auch in die angrenzende Auenlandschaft erschließen.

Direkte Effekte

Mit der Sanierung des Deiches konnte die Funktionalität der Hochwasserschutzanlage abgesichert werden, sowohl für den Park und die darin enthaltenen Baudenkmale, als auch im Kontext der Hauptdeichlinie für ein weiträumigeres Siedlungsgebiet. Dies erwies sich schon im Sommer 2013 bei einem weiteren außergewöhnlichen Hochwasserereignis, dem der Wörlitzer Wall standhielt.

Indirekte Effekte

Unter Bezugnahme auf die Empfehlungen einschlägiger Regelwerke wird ein Baumbestand auf Dämmen oder Deichen meist als Gefährdung und damit als nicht zulässig beurteilt. Da in Wörlitz die Stabilisierung des Deiches durch die Innendichtung eine größere Toleranz in dieser Frage zulässt, konnten am Wall bzw. auf den Wallböschungen Nachbesetzungen historischer Baumstandorte wiederaufgenommen werden. Damit ist es möglich, die charakteristische Pflanzung von „Wall-Eichen“ fortzuführen. Diese wurden im 18. Jahrhundert an die Außenseite des Hochwasserschutzwalls gesetzt, um ihn bei winterlichem Hochwasser vor Treibeis zu schützen. Hochwasserschutzbelange sind in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz unterschiedlichen Aufgabenbereichen zugeordnet. In der Verwaltungsabteilung wird die Organisation des Notfalleinsatzes koordiniert (Referat 1.4/Sicherheitskoordinator). Alle übrigen Erfordernisse fallen in die Geschäftsbereiche der Fachabteilungen, hier hauptsächlich in jenen der Abteilung Gärten und Gewässer. Die kontinuierlich anfallenden Aufgaben (Überwachung der Anlagen einschließlich der dort durch externe Dienstleister ausgeführten Pflegearbeiten wie Deichmahd bzw. Beweidung, Vorhaltung und ggf. Instandhaltung von Ausrüstungen sowie Fortschreibung der Verteidigungsszenarien) sind in der bestehenden Organisationsstruktur nicht berücksichtigt und werden „nebenbei miterledigt“. Die Identifizierung neuer oder unter Einfluss von Klimawandelfolgen wesentlich erweiterter Aufgaben erfordert eine entsprechende Absicherung in personellen Kapazitäten und finanzieller Ausstattung der verantwortlichen Körperschaften.

Eignung / Wertung / Probleme

Durch die Innendichtung und die Beschränkung einer Änderung der Deichgeometrie konnten trotz einer komplexen Ertüchtigung des Hochwasserschutzwalls visuelle Beeinträchtigung der hochwertigen Parklandschaft vermieden werden. Die punktuell angewendete modifizierte Bauweise (Manschetten-Injektionsverfahren) erlaubte auch die Erhaltung von Altbäumen, welche von besonderem gartenhistorischen Zeugniswert und hoher Relevanz in der gartenkünstlerischen Bildkomposition sind.

Erfolg

Mit der Sanierung des Deiches konnte die Funktionalität der Hochwasserschutzanlage abgesichert werden, sowohl für den Park und die darin enthaltenen Baudenkmale, als auch im Kontext der Hauptdeichlinie für ein weiträumigeres Siedlungsgebiet. Dies erwies sich schon im Sommer 2013 bei einem weiteren außergewöhnlichen Hochwasserereignis, dem der Wörlitzer Wall standhielt.

Monitoring und Dokumentation

In Wörlitz obliegt die Überwachung und Unterhaltung des Deiches dem LHW. Dieser organisiert regelmäßige Deichschauen und engagiert sich für die Erhaltung der Wall-Eichen (bzw. weiterer Baumpflanzungen in Deich-Nähe).

Umwelt- und Standortbedingungen / Rahmenbedingungen

Niederschlag (Station Lutherstadt Wittenberg):

Jahresmittel im Zeitraum 1991-2022: 565,3 mm

höchster Wert: 786 mm (2007)

niedrigster Wert: 308 mm (2018)

Temperatur (Station Lutherstadt Wittenberg):

Jahresmittel im Zeitraum 1991-2022: 9,9°C

höchste Jahresmitteltemperatur: 11,3°C (2018 und 2019)

niedrigste Jahresmitteltemperatur: 7,5°C (1996)

Autoren

Dipl.-Ing. Michael Keller, Abteilungsleiter Gärten und Gewässer

Investitionskosten

ca. 2,8 Mio. EURO (2010)

Kooperationspartner:innen

Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) als Bauherr

Kulturstiftung Dessau-Wörlitz als Grundstückseigentümer, die Abteilung Gärten und Gewässer für alle Belange der Gartendenkmalpflege, des Gartenunterhalts und des Mobildeichsystems

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt für die denkmalfachliche Begleitung der Sanierung und Ertüchtigung des Deiches

Biosphärenreservat Mittelelbe für Belange des Natur- und Landschaftsschutzes

Fördermittelgeber

Mittel der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz der Bundesrepublik Deutschland sowie Hochwasserschutzmitteln des Landes Sachsen-Anhalt

Projektlaufzeit

2005-2010

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Zuständige Schlösserverwaltung

Kulturstiftung Dessau-Wörlitz