In-vitro-Vermehrung der "Bothmer-Linde"

Erhaltung genetisch identischen Pflanzenmaterials, zum Zweck späterer Verwendung bei Nachpflanzungen

Ziel der Maßnahme

Für die Erhaltung, beispielsweise der kulturhistorisch einmaligen Festonallee, werden künftige Nachpflanzungen mit einem möglichst einheitlichen Erscheinungsbild angestrebt. Gleiche Blatt- und Triebfärbung, Austriebszeitpunkt und Wuchsform sind nur durch genetisch völlig identische Linden zu erreichen.

Einleitung

Die Festonallee wurde nach barocken Gestaltungsprinzipien 1726-32 als damals einzige Zufahrt angelegt. Sie ist direkt auf die Mittelachse des Schlosses ausgerichtet. Bis heute begleiten den spannungsvollen Wegeverlauf noch 65 Bäume aus dem 18. Jahrhundert.

Zum Ende des 2. Weltkrieges wurde die ursprüngliche Ausformung als Hochhecke aufgegeben. Trieben wuchsen zu langen, teilweise armdicken Stämmlingen aus. Der Windlast konnten diese nicht widerstehen und so kam es infolge unterlassener Schnittmaßnahmen zu großen Ausbrüchen und Verletzungen. Durch adaptives Wachstum bildeten sich in der Folge die heutigen skurrilen Formen.

Heute werden die Triebe alle drei Jahre vollständig entfernt, um die Kronen zu entlasten und damit auch die weiter zunehmende Windlast zu minimieren.

Maßnahmenbeschreibung

Für die Erhaltung von Parkbäumen besitzt die In-vitro-Kulturführung auf Grund der genetisch-identischen Vermehrung einen hohen Stellenwert. Es können Klone herangezogen werden, die sich auf eigener Wurzel kultivieren lassen. Dabei ist davon auszugehen, dass das Gehölz, als damit genetisch einheitliches Individuum, die Möglichkeit hat, sich optimal an den Standort anzupassen. Im Gegensatz dazu stehen Veredelungen unterschiedlicher Arten und meist auch Herkunft.

Bei der In-vitro-Kultur handelt es sich um die Kultivierung von isolierten Pflanzenteilen, sogenannten Explantaten, außerhalb des intakten pflanzlichen Organismus auf oder in Nährmedien unter sterilen Bedingungen im Kulturgefäß. Dabei übernimmt das Nährmedium die Funktion benachbarter Pflanzenzellen im Gesamtorganismus.

Ca. 6 Wochen verbleiben die kleinen Pflänzchen auf dem Nährboden, bevor sie in Erdkultur akklimatisiert und weitergezogen werden. Nach den ersten 3 Wochen in Erde und weiteren 2 Monaten der Akklimatisierung im Gewächshaus werden die jungen Bäume noch für 4 Monate im Folienzelt weiter abgehärtet und in 1,5 Jahre im Freiland dann zu Jungbäumen herangezogen. Erst dann kann die reguläre Kultur in der Baumschule beginnen, um dann letztendlich ausreichend kräftige Bäume für eine Nachpflanzung zur Verfügung zu haben.

Im Rahmen sich anschließender Forschungsvorhaben der HUB („trees4streets“) von 2016 bis 2021 hat sich zudem herausgestellt, dass der Bothmersche Klon als einer der resilientesten gegen Stressfaktoren im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu bewerten ist.

Direkte Effekte

Es hat sich herausgestellt, dass der Typ ‚Koningslinde‘ sich sehr gut in-vitro vermehren und weiter kultivieren lässt. Das genetische Material kann methodisch so gesichert werden.

Eignung / Wertung / Probleme

Die Methode kann positiv bewertet werden, Schwierigkeiten treten insbesondere bei der Weiterkultur in einer Baumschule auf. Mangels eigener Möglichkeiten galt es, geeignete Partner zu finden, die auch kleiner Stückzahlen produzieren und diese über mehrere Jahre vorhalten können. Ein konkreter Anzuchtvertrag konnte bisher nicht geschlossen werden. Bis heute stehen qualitativ keine größeren Stückzahlen für eine Nachpflanzung zur Verfügung, eine genetisch identische Ersatzpflanzung ist daher noch nicht erfolgt. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist solch eine Spezialkultur für eine Baumschule am Markt nicht rentabel und steht daher auch nicht im zentralen Fokus der dortigen Baumschulgärtner. Wichtig wäre aus diesem Grund eine Anzucht in Eigenregie, langfristig geplant, standortspezifisch und in den erforderlichen Stückzahlen.

Erfolg

Guter Erfolg, die Fortführung der Maßnahme ist sinnvoll, wenn auch nicht unkompliziert in der Umsetzung

Monitoring und Dokumentation

Siehe PDF: Versuchsbericht HUB vom 10.10.2016 (bisher unveröffentlicht)

Umwelt- und Standortbedingungen / Rahmenbedingungen

Umliegende Agrarflächen, Ostseenähe

Wetterdaten für Boltenhagen (Quelle: DWD – Wetterkontor.de)

  • Jahresmitteltemperatur der relevanten Extremwetterlage (2018–2023): 10,38 Grad Celsius

  • Höchste Jahresmitteltemperatur (2020): 10,5 Grad Celsius

  • Niedrigste Jahresmitteltemperatur (2021): 9,6 Grad Celsius

  • Absolutes Temperaturmaximum (2022): 37,5 Grad Celsius

  • Jahresniederschlag im Mittel (2018–2022): 498,7 mm (Vergleichswert 2013-17: 608,5 mm)

  • Höchster Jahresniederschlag (2020): 614,5 mm

  • Niedrigster Jahresniederschlag (2018): 418,4 mm

Autoren

Dietmar Braune, Dezernatsleiter Gärten SSGK M-V

Investitionskosten

3.500 EURO

Laufende Betriebskosten

Anzucht, Pflege und Weiterkultur erfolgt bisher durch externe Partner.

Kooperationspartner:innen

M. Sc. Antje Schmidt
Dr. Matthias Zander
Prof. Dr. Dr. Christian Ulrichs

Humboldt-Universität zu Berlin
Lebenswissenschaftliche Fakultät
Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften
Fachgebiet Urbane Ökophysiologie der Pflanzen
Lentzeallee 55/57
14195 Berlin

Projektlaufzeit

2014/2015

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Zuständige Schlösserverwaltung

Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen M-V