Monitoring des Mistelbefalls in der Hochallee, Schlosspark Nymphenburg

Mistelbefall und Baumvitalität in der Hochallee

Ziel der Maßnahme

Erkenntnisse über Ausmaß und Entwicklung des Mistelbefalls in der Hochallee und die Auswirkungen auf die Baumvitalität der befallenen Bäume

Einleitung

Der Schlosspark Nymphenburg enthält formale Elemente aus der Gartengestaltung des Barocks (Parterre, Alleen, Zentralachse mit Kanal) und landschaftlich gestaltete Bereiche aus der Zeit der Umgestaltung im frühen 19. Jahrhundert. Die formalen Alleen sind ein wichtiges Gestaltungselement, das von Friedrich Ludwig von Sckell bei der Umgestaltung des Parks in einen Landschaftspark erhalten und in das Gesamtkonzept eingefügt wurde. Diese Hochalleen, vor allem entlang der Kanäle, setzen sich aus verschiedenen Lindenarten zusammen.

Im Lauf der letzten Jahrzehnte hat der Mistelbefall in den Alleen und im gesamten Gehölzbestand deutlich zugenommen. Von den milderen Wintern, längeren Hitzeperioden und insgesamt höheren Temperaturen durch den Klimawandel profitieren manche Organismen besonders. Hierzu gehört auch die Laubmistel (Viscum album ssp. album). Einen verschärfender Faktor für die steigenden Temperaturen stellt auch die Lage des Nymphenburger Parks in der Stadt dar. An heißen Tagen spielt die Wasserverfügbarkeit für Bäume eine große Rolle. Misteln sind halbschmarotzende Parasiten, sie bedienen sich des Wassers in den Leitungsbahnen des Baumes und der darin gelösten Nährstoffe. Dadurch stehen sie in direkter Wasserkonkurrenz zur Wirtspflanze, dem Baum.

Die Linden in der Hochallee in Nymphenburg weisen mitunter einen extremen Mistelbefall auf. Die Auswirkungen von verlängerten Hitzeperioden und Trockenperioden auf die Bäume sind deutlich. Bei extrem starkem Mistellbefall kann es zum Ausfall des Wirtsbaumes kommen. Aufgrund der gestalterisch wichtigen Rolle der Alleen sollte dies möglichst vermieden werden. Zudem sind die teilweise über 200 jährigen Linden Lebensraum für seltene Insektenarten, die besonderen Schutzes bedürfen.

Bisher wurden die Misteln im Rahmen anderer Pflegemaßnahmen im Baum (z. B. Totholzentfernung zur Verkehrssicherung) entfernt. Dabei wird bis zu 30 cm hinter die Mistel ins gesunde Holz zurückgeschnitten, auch im Starkastbereich, um die Wurzelausläufer der Mistel unter der Rinde ebenfalls zu entnehmen. Das Schneiden bis ins gesunde, mistelfreie Holz ist jedoch nicht unendlich möglich, da die Substanz und Vitalität der Bäume langfristig unter dem starken Schnitt leiden. Ein wiederholter Befall ist durch die Verbreitung durch Vögel und die angrenzenden teilweise stark befallenen Gehölzbestände nicht zu vermeiden, daher scheint die Strategie der absolut mistelfreien Bäume nicht umsetzbar.

Die Gärtenabteilung, vor allem der neu eingerichtete Kompetenzstützpunkt Baum-Management München, entwickelt zusammen mit der Schloss- und Gartenverwaltung Nymphenburg, ein langfristiges Pflegekonzept für die mistelbefallenen Bäume in der Hochallee. Zur Einschätzung des Problems und auf der Suche nach adäquaten Mitteln für den Umgang mit der Mistel wird von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ein Monitoring des Mistelbefalls in der Hochallee durchgeführt. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Stärke des Mistelbefalls und die Entwicklung der Mistelpopulation. Um in Zukunft Pflegeintervalle und Rückschnittmengen festlegen zu können, wird in einer zweiten Maßnahme die Auswirkung des Mistelbefalls auf die Baumvitalität mittels Sensoren zum Wasserhaushalt in der Baumkrone untersucht.

Maßnahmenbeschreibung

Seit 2019 findet einmal jährlich (unbelaubter Winterzustand) eine Befliegung durch UAV-Technologie (Fernerkundungsdrohnen) statt. Dabei werden die über 500 Linden (Winter- und Sommerlinden, verschiedene Sorten und Hybride) einzelbaumgenau aufgenommen. Anhand der festgestellten Daten lässt sich in Abhängigkeit zur Kronenprojektionsfläche des Baumes der Mistelbefalls-Index (MBI = Befallsgrad durch Misteln pro Baum in Prozent) ermittelt. Genaue Angaben zur Methode finden sich im unten genannten Artikel (KLEMMT et al. 2021, LWFaktuell). Unterschieden wird in fünf Klassen, von keinem Befall bis extremem Befall. Zusätzlich wird einmal jährlich der Brusthöhenumfang des Stammes (BHU) ermittelt, um langfristig aus den Zuwachsraten der Stämme in Korrelation mit dem MBI Aussagen über die Auswirkungen der Mistel auf die Baumvitalität zu erhalten.

Seit dem Frühjahr 2023 sind zusätzlich in 27 ausgewählten Bäumen aus den fünf Klassen des Mistelbefalls Sensoren installiert. Die Studie zeigt auf, inwiefern Mistelbefall die Trockenstressreaktion von Bäumen in der Hochallee in Nymphenburg beeinflusst. Untersucht wird das Stresslevel von Bäumen mit unterschiedlich starkem MBI aufgrund der Wasserverfügbarkeit in der Krone. Kontrollgruppen von Bäumen gleicher Art, die nicht befallen sind, lassen die Regenerationsfähigkeit nach Trockenstressereignissen der befallenen Bäume im Vergleich zu mistelfreien Bäumen überprüfen. Der Vergleich der Trockenstressreaktion von Sommer- und Winterlinde bzw. Hybriden ermöglicht zudem eine verbesserte Entscheidungsfindung bei Neupflanzungen in der Hochallee.

Im Rahmen des Projektes wurde vom Kompetenzstützpunkt Baum-Management München zudem ein neues Vorgehen beim Rückschnitt der Mistel erarbeitet. Bis ins gesunde Holz zurückgeschnitten werden nur noch Misteln im Fein- und Grobastbereich (10 cm Astdurchmesser). Misteln im Starkastbereich (ab 10 cm Astdurchmesser) werden bis zur Rinde des Wirtsbaumes zurückgeschnitten, der Ast wird nicht zurückgeschnitten. Durch das Installieren von Sensoren vor und nach den zurückgeschnittenen Misteln sollen die Effekte der Mistel und die Regenerationsfähigkeit nach dem Rückschnitt untersucht werden.

Direkte Effekte

neue Erkenntnisse zum Wirkungsgefüge Mistel-Baumvitalität-Trockenstress

Indirekte Effekte

Entscheidungsgrundlage zur Erarbeitung eines Mistelmanagements

Eignung / Wertung / Probleme

Der Befall durch Misteln ist nur ein Einflussfaktor auf die Gesundheit eines Baumes. Der Befall hat jedoch in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen und eine Untersuchung zu den Auswirkungen des Befalls erhöht die Sensibilität für das Problem und hilft Pflegeansätze zu finden.

Langfristige Effekte lassen sich noch nicht absehen und die Wasserhaushaltsmessungen über zwei Jahre können nur Tendenzen aufzeigen. Zudem ist es wichtig die Schwankungen des Klimas von einem Jahr zum anderen zu beobachten. Obwohl sich über die Jahre hinweg eine Tendenz zu heißeren und trockeneren Sommern und Frühjahren abzeichnet, könnte genau im betrachteten Messzeitraum etwas mehr Niederschlag fallen oder ein kühler Sommer Einzug halten. Vorteilig an den langangelegten Messungen (MBI und BHU) ist, dass sich langfristige Schwankungen und Effekte auf die Baumgesundheit feststellen lassen.

Erfolg

noch keine Bewertung möglich

Monitoring und Dokumentation

Wie oben beschrieben: Die gesamte Hochallee wird seit 2019 einmal jährlich per UAV (Drohnenbefliegung) gescannt und seit 2023 der BHU von jedem Baum genommen. Zusätzlich werden die Pflegemaßnahmen einzelbaumgenau im digitalen Baumkataster erfasst.

Die 27 Projektbäume, in deren Kronen der Wasserhaushalt gemessen wird, werden zusätzlich genauer angesprochen und im Februar 2023 vom Boden aus mit einem Laser gescannt, um das Baumvolumen im unbelaubten Zustand festzuhalten. Die Messungen in den Baumkronen liegen live im 15-Minuten-Takt vor und werden am Ende der Projektlaufzeit 2025 in einem Projektbericht ausgewertet.

Umwelt- und Standortbedingungen / Rahmenbedingungen

Die Bäume der Hochallee befinden sich nördlich und südlich des Hauptkanals im Schlosspark Nymphenburg. Der Kanal liegt am Ostende der Allee ca. 0,5 m und am Westende ca. zwei Meter unterhalb der Alleen. Auf jeder Kanalseite befindet sich eine Böschung, auf deren Oberkante ein Fußweg (wassergebundene Wegedecke, 4 m breit) entlangführt. Dieser wird nördlich und südlich von einer Lindenreihe gesäumt. Eine Baumreihe steht am Rand der geschlossenen Gehölzbereiche und eine Baumreihe im Rasen auf der Böschungsoberkante. Damit haben die Bäume unterschiedliche Standortbedingungen, Nähe zum Gehölzbestand, Verschattung, Konkurrenz auf der einen und höhere Sonneneinstrahlung, freieren Stand auf der anderen Seite. Das Alter der Linden reicht von Neupflanzungen bis zu mind. 250 Jahren bei Linden aus der barocken Gestaltungsphase.

Wetterdaten für München Stadt (Quelle: DWD)
Jahresmitteltemperatur (1991–2020): 9,7 Grad Celsius
Höchste Jahresmitteltemperatur (2018 und 2022): 11,3 Grad Celsius
Niedrigste Jahresmitteltemperatur (1996): 8,3 Grad Celsius
Absolutes Temp.maxium (2003): 37 Grad Celsius (gemessen in 2 m Höhe)

2022 lag die Jahresmitteltemperatur (1991–2020) mit 11,3 Grad Celsius über dem langjährigen Monatsmittelwert.

Jahresniederschlag im Mittel (1991–2020): 958,7 mm

Höchster Jahresniederschlag (2000): 1191,1 mm
Niedrigster Jahresniederschlag (2003): 656,9 mm

2022 lag die Jahresniederschlagsmenge mit 830,3 mm etwas unter dem langjährigen Jahresmittelwert.

Autoren

Vera Donata Wesinger | Gärtenabteilung, Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Investitionskosten

Die Messungen und Auswertungen zum Mistelbefalls-Index wie auch die Lasercans und BHU-Messungen erfolgen durch die LWF.

Für die Messungen des Wasserhaushaltes in der Krone der 27 Projektbäume sind 75 Sensoren und ein Gateway beschafft worden (Kostenpunkt: ca. 30.000 Euro, 2023). Die Auswertung in Form eines Berichtes und Präsentation der Ergebnisse erfolgen in externer Vergabe (Kostenpunkt: ca. 40.000 Euro).

Laufende Betriebskosten

Die Messungen und Auswertungen zum Mistelbefalls-Index wie auch die Lasercans und BHU-Messungen erfolgen durch die LWF.

Für die Messungen des Wasserhaushaltes in der Krone der 27 Projektbäume werden die 75 Sensoren zu Beginn des Projektes im Rahmen einer Schulung durch das Team des Kompetenzstützpunktes Baum-Management München installiert (Dauer 3 Tage. mit zwei Personen aus dem Baum-Management, insg. 48 Std.). Nach einem Jahr müssen die Sensoren kontrolliert und ggf. versetzt werden, da Trockenstressreaktionen des Baumes die Messungen beeinträchtigen können (nochmals 48 Std. je 2024 und 2025, insg. 96 Std.). Am Projektabschluss werden die Sensoren ggf. in den Bäumen belassen, andernfalls sind wiederum 48 Std. für das Abbauen der Sensoren nötig. Insgesamt sind Installation, Kontrolle und Abbau der Sensoren mit ca. 200 Arbeitsstunden verteilt auf zwei Jahre und zwei Personen aus dem Baum-Management zu veranschlagen.

Die Projektleitung ist in der Gärtenabteilung angesiedelt, für die Koordination des Projektes sind im Schnitt ca. zwei Stunden / Woche, also ca. 90 Std. im Jahr zu veranschlagen (intensivere Phase der Projektkonzeption und Koordination der Projektbeteiligten am Beginn des Projektes, weniger zeitintensive Betreuung während der Laufzeit).

Kooperationspartner:innen

Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Projektlaufzeit

Seit 2019, bzw. 2023–2025

Download

Weiterführende Literatur

Klemmt, Hans-Joachim, et al. (2021): „Baumvitalität im Schlosspark. Seit vielen Jahren untersucht die LWF die Vitalität und den Mistelbefall im Schlosspark Nymphenburg“, In: LWFaktuell, 4. Quartal 2021, S. 40 – 42.

Zuständige Schlösserverwaltung

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Kontakt

Vera Donata Wesinger

Gärtenabteilung, Bayerische Schlösserverwaltung

Schloss Nymphenburg, Eingang 42

80638 München

poststelle@bsv.bayern.de