Artenvielfalt im Gartendenkmal

Erfassung schützenswerter Pflanzen-, Pilz- und Tierarten in den Schlossparks und Gärten der Bayerischen Schlösserverwaltung

Ziel der Maßnahme

Arteninventarisierung schützenswerter Pflanzen-, Pilz- und Tierarten zur stärkeren Integration naturschutzfachlicher Aspekte bei der Pflege historischer Gartenanlagen in Bayern.

Einleitung

Über Bayern verteilt unterstehen der Schlösserverwaltung insgesamt 32 historische Parkanlagen, 15 Außenanlagen an historischen Bauwerken sowie zahlreiche Seeuferbereiche. Durch die Kontinuität in der Pflege dieser Anlagen, durch eigenes Personal und auf Grundlage des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes sind über die Zeit wertvollste Biotope in den Anlagen entstanden, die einer Fülle bedrohter Tier- und Pflanzenarten als Rückzugsraum dienen. Darin liegt begründet, dass insgesamt 14 FFH-Gebiete in den historischen Garten- und Parkanlagen der Bayerischen Schlösserverwaltung liegen oder diese als wichtigen Teilraum einschließen. Dass in diesen FFH-Gebieten insgesamt 45 Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie erfasst wurden, zeugt vom Strukturreichtum der historischen Parkanlagen. Über die im Anhang II der FFH-Richtlinie erfassten Arten hinaus bieten die historischen Gärten und Parks Lebensraum für eine Reihe weiterer, teils geschützter Tier- und Pflanzenarten.

Extremwetterereignisse und klimatische Veränderungen bis hin zu längeren Trockenphasen in Frühjahr und Sommer gefährden die Zusammensetzung der Lebensräume in den historischen Parkanlagen. Altbäume sterben ab oder werden durch Trockenstress und vom Klimawandel begünstigte Schadorganismen geschädigt. Gewässersysteme kommen mit steigenden Temperaturen und Wassermangel an ihre Grenzen und fehlender Niederschlag verringert das Wachstum der Wiesen. Vor diesem Hintergrund werden der Schutz von Lebensräumen und der spezielle Artenschutz immer wichtiger.

Neben der Verantwortung zum Arterhalt kommt die Förderung der Artenvielfalt noch hinzu. Artenreiche Ökosysteme sind resilienter gegenüber klimawandelbedingten Schwankungen. Die Parkanlagen der Bayerischen Schlösserverwaltung enthalten eine große Vielfalt an Pflanzen-, Tier- und Pilzarten. Mit der Vielfalt an Arten geht eine Vielfalt an Anpassungsfähigkeiten einher, die in Zukunft eine wichtige Rolle in den sich verändernden Ökosystemen spielen können.

Die vorhandenen Parkanlagen und ihre kontinuierliche Pflege ermöglichten es, Relikte der historischen Kulturlandschaft zu erhalten. Die gartendenkmalpflegerische Betreuung der historischen Anlagen ist die Basis für den Erhalt und die Entwicklung der wertvollen Lebensräume. Die Heterogenität der Lebensräume in den Parkanlagen und der gestalterische Anspruch an das historisch überlieferte Parkbild erfordern ein ganzheitliches Pflegekonzept. Der Artenschutz soll dabei möglichst stark von den Maßnahmen, die für das angestrebte historisch überlieferte Parkbild ausgeführt werden, profitieren.

Für ein angepasstes Pflegekonzept bedarf es genauen Erkenntnissen über das Arteninventar und die Zusammenhänge zwischen Pflegeeingriffen und Entwicklung der Artenzusammensetzung vor Ort. Die Artenaufnahme und Erforschung der Pflegeregime (historisch bis heute) ist dabei der erste Schritt für eine langfristige Beobachtung der Artenentwicklung und zur Erarbeitung eines Maßnahmenkonzeptes.

Maßnahmenbeschreibung

Die Gärtenabteilung erarbeitet für die jeweilige Parkanlage eine gartendenkmalpflegerische Zielstellung bezogen auf die wertvollen Lebensräume. Darin werden die zugrundeliegende Zeitschicht und das wünschenswerte Erscheinungsbild des konkreten Parkbereiches festgelegt. Im Folgenden finden Kartierungen zur Flora, Fauna und Pilzarten statt.

Pflanzenarten werden dabei in Lebensraumtypen flächendeckend erfasst; ein besonderer Fokus liegt dabei auf den sensiblen Übergangsbereichen wie Gehölzrändern und Gewässerrandzonen. Für alle Artengruppen werden die lokaltypischen und die besonders seltenen Arten gezielt und genauer als in der FFH-Lebensraumtypen-Kartierung aufgenommen, inklusive genauem Fundort. Insgesamt wird mit einer höheren Flächenschärfe als in der FFH-Kartierung gearbeitet, um im nächsten Schritt flächenscharf Maßnahmen erarbeiten zu können. 

Die Ergebnisse der beiden Fachbereiche werden anschließend in einer Matrix zusammengeführt, aus der Areale mit besonderem naturschutzfachlichem Potential hervorgehen. Für die verschiedenen Lebensraumtypen werden Maßnahmenvorschläge zur Verbesserung der Lebensraumqualität durch eine Anpassung der Pflegemaßnahmen aufgezeigt. In vielen Fällen lassen sich die bereits sehr gut ausgestatteten Bereiche durch eine Anpassung des Pflegeregimes weiter verbessern. 

Als Beispiel sind die Wiesen im Schlosspark Nymphenburg zu nennen. Dort finden sich mit seltenen Arten besetzte Borstgrasrasen und Kalk-Trockenrasen. Auffallend ist, dass die andernfalls sehr gut ausgestatteten Wiesenflächen relativ arm an seltenen Falterarten waren. Grund hierfür war das Mahdregime. Die Vergabe an einen externen Landwirt erzeugt zusammen mit dem Wunsch nach möglichst effektiver Bewirtschaftung ein besonders schnelles und komplettes Abmähen der Wiesen. Aus denkmalpflegerischen Gründen wurde bis in die Gehölzbestände hinein gemäht, um zu verhindern, dass sich der Gehölzsaum in die Wiesen schiebt und die historischen Sichtachsen verloren gehen. Die Einzelentnahme des unerwünschten Gehölzaufwuchses ist dem gesamten Heruntermähen des Saumes gegenüber zu bevorzugen. Die Einzelentnahme ist jedoch auch sehr viel personal- und kostenintensiver und daher bisher nicht darstellbar . Diese Wiesen- und Gehölzrandpflege sorgt nicht nur für ein Ausbleiben von Tagfaltern, die z. B. als Puppen in den Grashalmen überwintern, sondern auch für ein unerwünschtes Parkbild. 

Gartendenkmalpflegerisches Ziel ist ein strukturreicher, aufgelockerter Gehölzrand, so wie ihn Friedrich Ludwig von Sckell um 1800 bei der Umgestaltung des Barockparks in einen Landschaftspark entworfen hat. In den „ausgemähten“ Gehölzrändern kann sich keine Naturverjüngung etablieren, die für den strukturreichen Gehölzrand jedoch essenziell ist. Die beinahe gleichzeitige Mahd mit Kreiselmäher nimmt den Wieseninsekten und Säugetieren zudem die Möglichkeit, sich in andere Bereiche zurückzuziehen oder der Mahd lebendig zu entgehen.

Aus der Kartierung in Abstimmung mit der gartendenkmalpflegerischen Zielstellung ergaben sich für die Wiesenpflege u. a. folgende Maßnahmenvorschläge: Staffelmahd (es werden kleinteiligere Mahdflächen festgelegt, die über einen längeren Zeitraum hinweg gemäht werden, damit werden nur Teile eines Wiesenlebensraumes in einem Rundgang gemäht, manche Wiesenbereiche bleiben als Brache an Gehölzrändern oder unter Hainen zwei Jahre stehen), Umstellung auf eine Mahd mit Balkenmähern (Insekten werden durch den Mahdvorgang nicht so sehr geschädigt). 

Neben diesem konkreten Beispiel wurden für die Parkanlagen folgende weitere Maßnahmen erarbeitet: Gehölzpflege (Verlängerung der Lebensdauer der tier- und pilzbiologischen Altbaumbestände, Anreicherung von Totholz), Gewässerpflege (zur Förderung von Wasserpflanzen und Amphibienarten), Wegepflege (Reduktion asphaltierter Wege, um Offenbodenstandorte zu schaffen und zu erhalten, Verschmälerung von Wegen), Parkaufsichten (zur Durchsetzung des Wegegebots und um eine Sensibilisierung für den Artenschutz zu fördern), Extensivierung der Nutzung (z. B. Wiesenflächen, Gewässer).

Als erste Anlagen des Projektes wurden zunächst von 2018 bis 2020 der Schlosspark Nymphenburg (München), der Park Rosenau (Rödental) und der Hofgarten Eremitage (Bayreuth) untersucht. Darauf anschließend wurden dann von 2021 bis 2023 der Park Schönbusch (Aschaffenburg), der Schlosspark Seehof (Memmelsdorf), und der Schlosspark Linderhof (Ettal) betrachtet. Bis 2026 werden der Englische Garten (München), der Schlosspark Fantaisie (Eckersdorf/Donndorf) und der Hofgarten Veitshöchheim in das Projekt aufgenommen.

Direkte Effekte

Das Projekt erbrachte umfassende Erkenntnisse über die Artenvielfalt und den floristischen und faunistischen Reichtum der bayerischen Anlagen. Darüber hinaus wurde der flächenspezifische Zusammenhang zwischen Pflege und Artenzusammensetzung deutlich.

Indirekte Effekte

Anstoß für die weitere intensive Beschäftigung mit dem Thema Artenschutz in der Pflege der Anlagen.

Sensibilisierung der Besucher hinsichtlich des Wertes historischer Gartenanlagen und Verständnis für Nutzungseinschränkungen in den Anlagen (z.B. Wegegebot, Leinenzwang etc.).

Eignung / Wertung / Probleme

Dieses Vorgehen ist gut geeignet, um eine Grundlage für eine weitere anlagenspezifische Verbesserung des Artenschutzes zu erarbeiten. Da die Anlagen der Bayerischen Schlösserverwaltung durch ihre jeweils eigene Entwicklungsgeschichte, standörtlichen und klimatischen Unterschiede sehr individuell sind, ist das spezifisch für eine Anlage zugeschnittene Entwickeln eines Konzeptes besonders zielführend.

Um die Maßnahmenvorschläge zu einem schlüssigen, d.h. räumlich und zeitlich konkretisierten Pflegekonzept zusammenzuführen und um die Umsetzung der Pflegemaßnahmen zu koordinieren und zu evaluieren ist eine zusätzliche Stelle in der Gärtenabteilung erforderlich. Zeitgleich ist die praktische Umsetzung artenspezifischer und kleinteiliger Pflegemaßnahmen (z.B. differenzierte Mahdkonzepte) in den Anlagen ebenfalls an zusätzliches Fachpersonal gebunden; s.: „Laufende Betriebskosten oder Pflegeaufwand“. Bisher können nur sehr begrenzt Anregungen aus den Untersuchungen umgesetzt werden, die mit vertraglichen Änderungen in der Vergabe der Pachtflächen an Externe bewirkt werden können.

Erfolg

Sehr guter Erfolg. Das Projekt wurde ausgeweitet auf die Anlagen Seehof (Bamberg), Schönbusch (Aschaffenburg) und Linderhof (Ettal) und seit 2024 bis 2026 werden der Englische Garten (München), der Schlosspark Fantaisie (Eckersdorf/Donndorf) und der Hofgarten Veitshöchheim in das Projekt aufgenommen.

Monitoring und Dokumentation

Kartierungen und gartendenkmalpflegerische Zielstellungen wurden in Abschlussberichten für die jeweiligen Anlagen zusammengeführt. Ein Monitoring ist erst sinnvoll, wenn durch zusätzliches Personal die Konzepte für konkrete Maßnahmen fachlich abgestimmt und in den Parkanlagen umgesetzt werden können.

Umwelt- und Standortbedingungen / Rahmenbedingungen

Siehe Kartierungen im Rahmen des Monitorings und FFH-Lebensraumtypenkartierung.

Bemerkungen

Die Maßnahmen sind in den meisten Fällen wirtschaftlich nur in Eigenregie zu bewerkstelligen, die Kleinteiligkeit der Pflegemaßnahmen und der hohe Abstimmungs- und Koordinationsaufwand kann nicht an externe Firmen abgegeben werden. Dies erfordert eine hohe fachliche Betreuung durch die Fachabteilung.

Gleichzeitig muss die Umsetzung im Feld durch fachlich geschultes, gärtnerisches Personal erfolgen, das durch Kontinuität und Erfahrung in der Pflege im Rahmen des Pflegekonzeptes selbst einschätzen kann mit welchen Geräten und zu welchem Zeitpunkt an einem speziellen Ort genau gepflegt werden muss. Das Projekt bildet lediglich die Grundlage für die eigentliche Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen.

Für die systematische Umsetzung der Pflegemaßnahmen wurde das Konzept „Artenschutzplus im Gartendenkmal“ entwickelt, dessen Realisierung noch aussteht. Sobald die erforderlichen Stellen zur Verfügung stehen, kann die Umsetzung des Konzepts „Artenschutzplus im Gartendenkmalin Angriff genommen werden. Als Basis dafür dienen die Erkenntnisse des Grundlagenprojekts „Artenvielfalt im Gartendenkmal“.

Autoren

Stefan Wallerius, Vera Donata Wesinger

Gärtenabteilung, Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Investitionskosten

Kosten für Kartierungen und das Erarbeiten von Maßnahmenvorschlägen, die mit der gartendenkmalpflegerischen Zielstellung abgestimmt sind. Die Kosten sind stark abhängig vom Umfang der Kartierungsmaßnahmen und des zu erwartenden Artinventars auf den Flächen, hier sind beispielhaft die Kosten für die drei Anlagen der Projekterweiterung 2021 bis 2023 aufgeführt:

Schlosspark Seehof (Gesamtanlage ca. 30 ha): ca. 54.000 Euro

Park Schönbusch (Gesamtanlage ca. 170 ha): ca. 85.000 Euro 

Schlosspark Linderhof (Gesamtanlage ca. 60 ha): ca. 115.000 Euro

Laufende Betriebskosten

Für die Koordinierung und Evaluierung der Umsetzung der Pflegemaßnahmen ist eine zusätzliche Stelle in der Gärtenabteilung erforderlich.

Zusätzlich werden auch neue Mitarbeiter in der Pflege der historischen Gartenanlagen benötigt: Erste Berechnungen zum Mehrbedarf an Pflegepersonal liegen für alle relevanten Gartenanlagen der BSV vor. Die Berechnungen orientieren sich an der Systematik des Positionspapiers der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen: „Personalbedarf für historische Gärten" von 2014.

So würden beispielsweise im Schlosspark Nymphenburg zusätzlich 9,3 VZK Fachkräfte in der Parkpflege, im Park Rosenau 2,0 VZK und in der Eremitage-Bayreuth 1,4 VZK benötigt. Diese Berechnungen gehen davon aus, dass der Artenschutz nur auf Flächen der Pflegeklassen II (intensiv gepflegt) und III (extensiv gepflegt) durch eine angepasste Parkpflege nennenswert verbessert werden kann. Berechnet wurde die Intensivierung der Pflege um jeweils eine Pflegestufe (z. B. von „leicht“ zu „normal“ oder von „normal“ zu „aufwändig“). Zusätzlich sind für die Umstellung auf kleinteilige und auf Artenschutz angepasste Pflege teilweise andere Maschinen nötig, die ebenfalls beschafft werden müssen.

Kooperationspartner:innen

Regierung von Oberfranken, Regierung von Oberbayern, Regierung von Unterfranken

Fördermittelgeber

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (Fördersumme 200.000 Euro für die ersten drei Anlagen Hofgarten Eremitage (Bayreuth), Schlosspark Nymphenburg (München), Park Rosenau (Coburg), 2018 bis 2020)

Projektlaufzeit

seit 2018

Download

Weiterführende Literatur

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen (Hrsg.) (2019): Artenschutzplus im Gartendenkmal

Zuständige Schlösserverwaltung

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Kontakt

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Telefon 089 17908-0
poststelle@bsv.bayern.de