Gehölze und ihre Standortbedingungen – Standortanalyse und Vitalitätsbeurteilung der Gehölze als Grundlagen für die Entwicklung einer Erhaltungsstrategie

Erfassung der Wechselwirkungen zur Gefahrenabwehr für den Gehölzbestand in den Wörlitzer Anlagen und im Luisium

Ziel der Maßnahme

Identifizierung ortsspezifischer Wechselwirkungen zwischen den Standortbedingungen und der Vitalität des Gehölzbestandes zur Ableitung von praktischen Handlungsvorschlägen für die künftige Erhaltungspflege

Einleitung

Die Wörlitzer Anlagen und der Schlosspark Luisium stellen die wichtigsten Gartenschöpfungen der Regierungszeit des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (reg. 1758-1817) dar. Sie sind zentrale Elemente der das gesamte Fürstentum einschließenden Bestrebungen der Landesverschönerung als Ausdruck zeitgenössischer Motive der Aufklärung. Diese Intentionen und die daraus hervorgebrachten, noch heute erlebbaren Qualitäten der Kulturlandschaft Gartenreich Dessau-Wörlitz sind das Fundament der Anerkennung als UNESCO-Welterbe (2000).

In den Parks von Wörlitz und Luisium wurden bei ihrer Anlage im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zahlreiche neueingeführte Gehölzarten verwendet (darunter vor allem Arten nordamerikanischer Herkunftsgebiete). Diese sind hier erprobt und auch vermehrt worden, so dass insbesondere Wörlitz als einer der wichtigsten Ausgangsorte einer Weiterverbreitung dieser Gehölzarten im mitteldeutschen Raum und darüber hinaus gilt. Außerdem wurden in den Parks vorhandene Alteichen integriert, welche Zeugnisse der jahrhundertelangen Bewirtschaftung der Auenlandschaft sind.

Die Gehölzbestände in den Parks Luisium und Wörlitz wurden durch die außergewöhnlichen Hochwasserereignisse der jüngeren Zeit (wie dem Jahrhunderthochwasser der Elbe von 2002), aber auch durch ausgeprägte Trockenheitsperioden in Mitleidenschaft gezogen. Diese Erfahrungen gaben den Anlass zu dem 2004/2005 durchgeführten Forschungsprojekt. Außerdem wurde damals vermutet, dass beobachtete Mängel in der Vitalität von Gehölzen auf wiederholte Änderungen von Umweltbedingungen in der Region zurückzuführen sind. Besonders hervorzuheben ist hier der Einfluss der Industrialisierung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die benachbarte Region Bitterfeld als Schwerpunkt des Braunkohleabbaues und der Chemischen Industrie galt im 20. Jahrhundert als eines der am stärksten mit Umweltproblemen belasteten Gebiete in Europa. Zwar haben sich die Rahmenbedingungen mit der Stilllegung der großen Industriekombinate nach 1990 gewandelt, Kontaminationen in Böden und Gewässern sind aber nach wie vor wirksam.

Maßnahmenbeschreibung

Das Seitens der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz von Dipl.-Ing. (FH) Cordelia Stieler und Dipl.-Ing. Ludwig Trauzettel geleitete Projekt war auf die Beschaffung belastbarer Grunddaten gerichtet, die auf deren Basis konkrete Maßnahmen zur Sicherung der Gehölzbestände in den Parks entwickelt werden sollten. Dazu wurden bodenkundliche Untersuchungen durchgeführt, die örtliche Wassersituation durch Aufzeichnungen der Pegelentwicklungen von Parkgewässern erfasst sowie die Gehölzbestände inventarisiert und einer Zustandsbeurteilung unterzogen. Damit wurden auch Untersuchungen fortgeführt, die sich im Rahmen eines vorangegangenen DBU-Forschungsprojektes auf die Umweltschadenserfassung des Pflanzenbestandes der Wörlitzer Anlagen (1996-1999) gerichtet hatten. Aus den erlangten Erkenntnissen wurden Maßnahmenempfehlungen abgeleitet.  

Das wichtigste Handlungsfeld der Maßnahmenempfehlungen aus dem Projekt von 2004/2005 war die Verbesserung der Vegetationsbedingungen durch Ausgleich der Humus- und Basenbilanzen (Komposteinbringung und Kalkung) sowie durch spezifische Nährstoffanalysen zu ermittelnden Düngungsstrategien. Im Nachgang des Projektes wurde in Nachbarschaft des Wörlitzer Parks ein großer Kompostlagerplatz eingerichtet. Damit sollte das bei der jährlichen Pflege aus dem Park entnommene organische Material für eine Rückführung als Humus im Sinne eines geschlossenen Stoffkreislaufs aufbereitet werden. Die verfügbaren Mittel reichten jedoch nicht für die Beschaffung notwendiger Lade- und Transporttechnik. Seit nunmehr etwa 15 Jahren werden Gehölzschnitt, Laub und Mähgut auf dem Kompostplatz abgelagert, ohne dass eine Rückführung des Humus in die Parks erfolgen kann.

 Als künftige Arbeitsschritte auf dem Handlungsfeld „Gehölze und Standortbedingungen“ sind vorgesehen:

·         vollständige Ersterfassung aller Gehölzbestände in den Parks, Durchführung kontinuierlicher Regelkontrollen und Dokumentation aller relevanter gartendenkmalpflegerischer Fachdaten (Grundlagen künftiger statistischer Auswertungen zur Bestandsentwicklung); Qualifizierung und Verstetigung der Handhabung eines digitalen Baumkatasters im Gartenunterhalt der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz

·         Erarbeitung von gartendenkmalpflegerischen Zielstellungen für alle Parkanlage (Detaillierung und Fortschreibung der bisher vorliegenden Denkmalrahmenpläne für die Gärten)

·         Spezifizierung von Entwicklungsprogrammen für konkrete Bedarfe in der Pflege und Restaurierung von Gehölzbeständen in den Parks (Verbesserung von Standorten mit besonderen Defiziten, Sicherung rückgängiger oder bedrohter Arten)

·         Detailierung des Denkmalrahmenplans Kulturlandschaften im Gartenreich Dessau-Wörlitz, insbesondere Erfassung der Solitär-Eichen-/Eichen-Gruppen-Bestände, Etablierung eines Monitorings und Entwicklung eines Entwicklungsprogramms für die Wiederherstellung und Pflege dieser kulturlandschaftsprägenden Anpflanzungen

Für die Umsetzung dieser Vorhaben müssen die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen akquiriert werden.

Bearbeitung des Projektes von 2004/2005 erfolgte durch:

Mitteldeutsches Institut für angewandte Standortkunde und Bodenschutz (bodenkundliche Untersuchungen)

Dr. Oliver Rosche, Dr. Michael Steininger, Prof. Dr. habil. Manfred Altermann

HPC HARPRESS PICKEL CONSULT AG (Oberflächengewässer und Grundwasser)

Dipl. Geol. Matthias Kater, Dipl. Geol. Joachim Richter

LPR Landschaftsplanung Dr. Reichhoff GmbH/GbR (Aufnahme und Zustandserfassung des Gehölzbestandes)

Dipl.-Ing. (FH) Ulrike Kaczmarek, Dr. sc. Lutz Reichhoff, Dipl.-Forstw. Uwe Patzak, Dipl.-Ing. (FH) Corinna Wittig (zeitweise)

Gropius Institut Dessau e.V., Hochschule Anhalt/FH (dendrochronologische Untersuchungen)

Dipl.-Ing. (FH) Annemarie Reimann, Ron Schmidt

Ingenieurgesellschaft für Datenverarbeitung und Umweltschutz mbH (Erstellung eines digitalen Dokumentations- und Informationssystems)

Dipl.-Ing. Uwe Patzschke, Dr.-ing. Dietmar Bothmer

GEO-METRIK Ingenieurgesellschaft mbH Dessau (Vermessung)

Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (fachliche Begleitung)

Dr. sc. Dieter Feldhaus (Boden), Dr. Rolf Kater (Hydrogeologie), Dr. Matthias Thomae (Geoinformationssystem)

Direkte Effekte

Mit den Bearbeitungen durch verschiedene Auftragnehmer und Projektbeteiligte in unterschiedlichster fachlicher Expertise wurde im Projektzeitraum eine detaillierte Dokumentation der Standortbedingungen in den beiden Parks und des Zustandes der dortigen Gehölzbestände erarbeitet.

Eignung / Wertung / Probleme

Das Forschungsprojekt erlaubte die Erarbeitung einer Grundlagenermittlung, die im Geschäftsbetrieb der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz aus eigenen Ressourcen heraus nicht zu leisten gewesen wäre. Die erstellte Dokumentation der Parks Wörlitz und Luisium bildete in diesem Zeitschnitt die Standortbedingungen und die Verfassung der Gehölzbestände differenziert ab. Sie liefert damit Ansätze, auf entsprechende Wechselwirkungen schließen zu können. In seiner Komplexität und interdisziplinären Bearbeitung galt dieses Projekt auch in methodischer Hinsicht als beispielgebend.

Die detaillierten und flächendeckenden Bodenuntersuchungen zeigen neben der Verbreitung von dominierenden Bodentypen, dass weite Teile der Wörlitzer Anlagen und des Luisiums im Wurzelraum der Gehölze pH-Werte im stark sauren Bereich aufweisen. Teilweise sind diese Werte so niedrig, dass durch Freisetzung größerer Mengen von Aluminium pflanzentoxische Bedingungen vorhanden sind sowie keine Nährstoffe gebunden werden können. Weiterhin wurde festgestellt, dass eine wasserstauende, stark bindige Stauschicht aus größtenteils Ton in den Unterböden der Wörlitzer Anlagen eine Barriere für die Durchwurzelung der Gehölze darstellt. Aus diesen Ergebnissen resultiert unter anderem bei bestimmten Gehölzarten und –sorten eine negative Auswirkung auf die Vitalität. Auf Grund der Schwächung (Stress) ist die Anfälligkeit für Krankheiten und sekundären Schädlingsbefall deshalb besonders hoch.

Im Rahmen der Untersuchungen der Oberflächenwässer und des Grundwassers wurden die hydrodynamischen Verhältnisse der Grund- und Oberflächenwasserbeschaffenheit untersucht sowie eine Qualifizierung des Messnetzes durchgeführt. Es erfolgte die Errichtung von drei neuen Grundwassermessstellen sowie die Erneuerung der Messwehre, um den Wasserhaushalt der Oberflächengewässer bilanzieren zu können. Aufgrund der Nähe zum Hauptvorfluter Elbe sind die Grundwasserstände sowohl in Wörlitz als auch im Bereich Luisium vom Wasserstand der Elbe (Luisium zusätzlich Mulde) abhängig. Die Schwermetallkonzentrationen der Oberflächengewässer liegen meist unterhalb der Nachweisgrenzen. Die Ergebnisse der Schadstoffanalysen verdeutlichen, dass Schwermetalle sowie organische Schadstoffe als Ursache für Pflanzenschäden sowohl in den Wörlitzer Anlagen als auch im Luisium ausscheiden. Aus den Untersuchungsergebnissen von 2004/2005 wurde in erster Linie gefolgert, dass das Arten- und Sorteninventar auf die Standortbedingungen auszurichten und ggf. zu reduzieren sei. Auf Gehölzarten, deren Vitalität durch wechselnden Wasserverhältnisse in der Auenlandschaft oder die in den Parks festgestellte Bodenversauerung beeinträchtigt wird, sollte künftig verzichtet werden. Diese Überlegung war vor allem von der Annahme getragen, dass viele der von einer Standortungunst betroffenen Arten und Sorten der Sammelleidenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts geschuldet erst nachträglich in die Parks aufgenommen worden wären. Die dieser Gruppe zugerechnete Mehrzahl der Nadelholzarten seien zu dem für die Bodenversauerung verantwortlich. Zwar wurde angesprochen, dass Historizität des Gehölzbestandes und der Charakter der Wörlitzer Anlagen zu berücksichtigen sind, doch wurde keine gartenhistorisch-analytische Bestandskategorisierung erarbeitet, die tatsächliche „Zutaten“ bzw. entbehrliche Ergänzungen des Denkmalbestandes identifiziert. Die Auswirkungen der außergewöhnlich heißen und trockenen Sommer 2018 und 2019 betreffen jetzt das gesamte Gehölzinventar der Parks, also sowohl den Altbaumbestand bzw. die in der Anlagezeit verwendeten Arten, als auch die später (teils eventuell als robuster Ersatz für empfindliche Arten der Ursprungszeit) eingebrachten Ergänzungen gleichermaßen. Für eine fundierte Beurteilung, ob bestimmte Gehölzarten in den Parks nicht mehr verwendet werden sollen oder die Standortwahl zu modifizieren ist, fehlen qualifizierte Bestandsanalysen und die Resultate eines längerfristigen Monitorings zur Entwicklung der Vitalität der Arten und Sorten in Abhängigkeit von Standortbedingungen und Witterungsentwicklungen.

Die erhobenen Daten zur Erfassung der Gehölzbestände in den Wörlitzer Anlagen (1996-1999) und im Park Luisium (2004) wurden zwar in ein digitales Baumkataster eingetragen. Dieses konnte aber durch die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz seitdem nicht mehr weitergeführt werden. Die im Projekt erlangten Daten bleiben in ihrem Aussagewert auf eine Momentaufnahme beschränkt und haben nicht den Ausgangspunkt eines kontinuierlichen Monitorings bilden können. Im September 2020 konnte eine Personalstelle für den Aufgabenbereich Gehölzmanagement aktiviert werden. Damit sollten die ruhende Pflege des Baumkatasters (kontinuierliche Regelkontrollen) und vor allem die Ersterfassung der Bestände in den noch nicht bearbeiteten Gärten aufgenommen werden. Als Folge der Dürresommer 2018 und 2019 nahmen aber die Aufnahmen der Trockenschäden sowie die Organisation von Maßnahmen zur Herstellung der Verkehrssicherheit in den Anlagen großen Anteil am Arbeitsprogramm des Gehölzmanagements ein. Hinzu treten die alljährlichen Erfordernisse der Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners. So sind die aktuelle Aufnahme und Kontrolle des Baumbestandes der Wörlitzer Anlagen bis jetzt noch nicht vollständig abgeschlossen, die Bearbeitung der übrigen Gärten konnte noch nicht begonnen werden.

Erfolg

Im Nachgang des Projektes von 2004/2005 wurde in der Nachbarschaft des Wörlitzer Parks ein zentraler Kompostplatz eingerichtet. Dieser sollte dem Umsatz von bei der Parkpflege anfallendem Laub, Mäh- und Häckselgut dienen und so das benötigte Ausgangssubstrat liefern, um den festgestellten Standortdefizite (vor allem der Bodenversauerung und -auszehrung) entgegenwirken zu können. In den ersten Jahren wurden hier etwa 600-700 m³ Hochwertkompost jährlich produziert und für die Verwendung in den Parks bereitgestellt. Allerdings konnten die Investitionen in die dafür benötigte Lade- und Transporttechnik sowie eine Entwicklung der erforderlichen Personalkapazitäten bisher nicht realisiert werden, so dass der beabsichtigte geschlossene Stoffkreislauf und eine nachhaltige Verbesserung der Standortbedingungen noch nicht erreicht worden sind.

Monitoring und Dokumentation

Ein sachgerechtes Monitoring in den Parks der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz wird angestrebt, ist aber von dem weiteren Fortschritt des derzeit im Aufbau befindlichen Datenmanagements (insbesondere des Baumkatasters) abhängig.

Das im Projekt 2004/2005 als modellhafte Lösung entwickelte serverbasierte Informationssystem wurde leider nicht in die Arbeitsabläufe der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz implementiert. Damit erfolgte keine Fortschreibung der damals angelegten Datenstrukturen.

Umwelt- und Standortbedingungen / Rahmenbedingungen

Niederschlag (Station Lutherstadt Wittenberg):

Jahresmittel im Zeitraum 1991-2022: 565,3 mm

höchster Wert: 786 mm (2007)

niedrigster Wert: 308 mm (2018)

Temperatur (Station Lutherstadt Wittenberg):

Jahresmittel im Zeitraum 1991-2022: 9,9°C

höchste Jahresmitteltemperatur: 11,3°C (2018 und 2019)

niedrigste Jahresmitteltemperatur: 7,5°C (1996)

Die im Projektzeitraum 2004/2005 analysierte Standortbedingungen in den untersuchten Parks Luisium und Wörlitz sind detailliert in den Projektberichten dokumentiert (Bodensubstrate und Bodentypen in ihrer Verbreitung und in ihren spezifischen Eigenschaften sowie Oberflächengewässer und Grundwassersituation).

Autoren

Dipl.-Ing. Michael Keller, Abteilungsleiter Gärten und Gewässer

Kooperationspartner:innen

im Projekt 2004-2005:

Mitteldeutsches Institut für angewandte Standortkunde und Bodenschutz, Gropius-Institut Dessau e.V., Hochschule Anhalt, Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt

Fördermittelgeber

Deutsche Bundesstiftung Umwelt; Bundesregierung Deutschland, Beauftragte für Kultur und Medien; Land Sachsen-Anhalt, Kultusministerium

Projektlaufzeit

2004-2005

Download

Weiterführende Literatur

Gehölze und ihre Standortbedingungen im Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Modellvorhaben zur Erfassung von Wechselwirkungen zur Gefahrenabwehr für den Gehölzbestand in den Wörlitzer Anlagen und im Luisium. Veröffentlichung auf Grundlage des Endberichtes zum Projekt, hrsg. von der Kulturstiftung DessauWörlitz, 2005

Zuständige Schlösserverwaltung

Kulturstiftung Dessau-Wörlitz