Ziel der Maßnahme

Verbesserung des Gesundheitszustandes der historischen Eichenbestände, Wiederherstellung wichtiger Aspekte des Gartenkunstwerks Schlosspark Nymphenburg

Einleitung

Die geschlossenen Gehölzbestände des Nymphenburger Schlossparks sind geprägt von historischen Eichenbeständen, die bereits vor der Umgestaltung vom barocken zum landschaftlichen Park durch Friedrich Ludwig von Sckell bestanden. Die geschlossenen Gehölzpartien sind dabei nicht als dichte Wälder zu denken, sondern als abwechslungsreiche Gehölzbestände. Dort finden sich dunkle Partien ebenso wie Lichtungen und Haine. Alteichen bilden ein wichtiges Strukturelement des Parks. Die Verfassung dieser Bäume verschlechterte sich Ende des 20. Jahrhunderts spürbar. Eichen sind als Lichtbaumart besonders empfindlich, wenn sie in dichtem Bestand durch andere Bäume in Bedrängnis kommen. In der Folge sterben Teile der Krone ab und der Baum verzeichnet große Verluste im Blattvolumen.

Im Laufe der 200 Jahre seit der Umgestaltung durch Sckell sind wichtige Pflegemaßnahmen in den geschlossenen Gehölzbeständen ausgeblieben. Die historischen Eichen litten zunehmend darunter. Im Vergleich zu Bäumen in Waldklimastationen in Freising und Riedenburg wiesen die Nymphenburger Eichen deutlich höhere Blattverluste auf. Deshalb sollte ab 2003 eine Überprüfung des Gesundheitszustandes der Alteichen stattfinden, um Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu entwickeln und umzusetzen. Daraus wurde ein gemeinsames Projekt der BSV und der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF): Die Eichen wurden nun regelmäßig kontrolliert und durch Herauspflegen benachbarter Bäume behutsam freigestellt.

Maßnahmenbeschreibung

Das erarbeitete Konzept für die Gehölzpflege basiert auf der natürlichen Wuchsdynamik und Konkurrenz der Baumarten untereinander. Zunächst werden in Abstimmung mit den gartendenkmalpflegerischen Zielen Hauptstrukturbäume ausgewählt. Diese sind ein für das Modellprojekt neu entwickeltes methodisches Element. Hauptstrukturbäume bilden das Grundgerüst des Parkbildes, sie sind verteilt an Wegekreuzungen, in Blickachsen, am Waldrand und in Hainen zu finden. Neben jüngeren ausgewählten Bäumen werden v. a. alte, noch erhaltene Strukturen auf Grundlage der historischen Pläne aufgespürt und im Gelände markiert. Ausgehend von der Zustandsverbesserung für die bedrohten Alteichen wurde das Projekt auf die gesamten geschlossenen Gehölzbereiche ausgeweitet. Neben den Alteichen, die in vielen Fällen das Hauptstrukturelement bilden, werden noch weitere Baumarten gefördert. Für die einzelnen Parkpartien werden auf Grundlage der gartendenkmalpflegerischen Recherche Charakterbäume ausgewählt. Sie dienen als Grundlage für die gewünschte Szene in diesem Parkbereich.

Die so ausgewählten Bäume werden durch behutsame Freistellung derart gefördert, dass sie ausreichend Licht und Raum haben, um den gewünschten Eindruck als Einzelbaum zu entfalten. Weiterhin wird für die zukünftige Entwicklung ein Vorrat an Jungbäumen in allen Bestandsschichten begünstigt, um eine stabile Bestandsentwicklung zu erhalten. Dabei ist ein Gleichgewicht anzustreben aus der Verminderung der Konkurrenz um Wasser, der Schaffung von Lichträumen für Naturverjüngung und dem waldartigen Mikroklima in geschlossenen Gehölzbeständen. Der Waldboden wird nicht komplett freigelegt und so vor der direkten Einwirkung der Sonne und damit verbundenen starken Verdunstungsraten geschützt.

2006 wurden die ersten Bäume entnommen, weitere Entnahmen fanden 2010/11 und 2015/16 statt. 2006 wurden bis zu fünf bedrängende Nachbarbäume entnommen, 2010 und 2015 mit der Entnahme von nur zwei bis drei Bedrängern kleinere Maßnahmen ausgeführt. Die Kartierung der Hauptstrukturelemente und Entnahme der umliegenden Bäume finden in den Wintermonaten statt. Im unbelaubten Zustand sind die Altersstrukturen der Gehölzbestände am besten zu erkennen. Wichtige Strukturbäume lassen sich gut identifizieren. Zunächst werden die zu erhaltenden Bäume durch Bänder markiert, um im nächsten Schritt die benachbarten, zu dicht stehenden Bäume durch Farbmarkierungen für die Entnahme festzulegen.

Zur Auslichtung ergeben sich drei mögliche Maßnahmen: neben der Fällung auch das Ringeln von Bäumen und das Absetzen der Krone / Zurückschneiden auf einen Torso. Mit der Anwendung von allen drei Maßnahmen, lassen sich im Inneren von größeren Gehölzbeständen besonders strukturreiche Gehölzbestände schaffen. Gefällte Bäume können zur Anreicherung des liegenden Totholzes – Stichworte: Verdunstungsschutz und Bodenaufbau – im Inneren des Bestandes verbleiben, sofern dies auch aus gestalterischer Sicht vertretbar ist. Andernfalls ist auch eine Nutzung als Brennholz (Hackschnitzel) oder Zugabe zu Kompost oder Mulch möglich. Insgesamt wird der Park nach und nach mit einzelnen Teilflächen pro Entnahmeperiode bearbeitet. So kann zur jeweiligen Situation ausreichend recherchiert werden und die Fällarbeiten sind gut in den Arbeitsplan der Facharbeiter vor Ort integrierbar.

Direkte Effekte

Bei der Kontrolle nach fünf Vegetationsperioden (2010) wurden ein deutlicher Kronenzuwachs der Alteichen und eine Stärkung der Vitalität nachgewiesen. Durch die Auslichtung der Bestände konnte sich mehr Naturverjüngung etablieren, das Nachpflanzen von jungem Pflanzenmaterial ist weitestgehend überflüssig.

Indirekte Effekte

Durch die Maßnahmen werden Lebensräume im Altholz erhalten und gefördert, dies kommt dem Artenschutz zu gute. Die Förderung vielseitiger und vielschichtiger Bestände sowohl in der Arten- als auch in der Altersstruktur legt die Grundlage für langlebige, stabile Bestände in der Zukunft.

Die geförderte Naturverjüngung ermöglicht es, auf Baumschulware zu verzichten und so die Gefahr der Einschleppung von Pathogenen aus Baumschulquartieren zu vermeiden. Jedoch ist es aus gartendenkmalpflegerischer Sicht nicht möglich, im gesamten Bestand so große Lichtungen zu schaffen, dass Eichenaufwuchs (Lichtbaumart) überall hochkommen kann, dies betrifft auch andere Lichtbaumarten wie die Kiefer. Daher sind in manchen Bereichen dennoch Pflanzungen nötig.

Neben der Verringerung der Bedrängnis von Lichtbaumarten, wie der Eiche oder Kiefer, sorgt die behutsame Entnahme einzelner Bäume auch für eine verminderte Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser.

Eignung / Wertung / Probleme

Dieses Konzept ist geeignet für größere zusammenhängende Gehölzbestände, Baumgruppen und auch Einzelbäume. Besonders positiv ist, dass auch alte Bäume (über 230-jährige Eiche und über 170-jährige Kiefer) von den Maßnahmen profitieren. Deutliche Kronenzuwachsraten (oft über 100% der ursprünglichen Kronenprojektionsfläche) in den freigestellten Bereichen wurden nachgewiesen. Zudem Verbesserte sich die Vitalität der Bäume und sie wiesen einen deutlichen Zuwachs beim Stammdurchmesser (3 – 15 %) auf.

Diese langfristigen Effekte halten bis heute an, wobei einzelne Jahre klimatisch bedingte Verschlechterungen enthielten. Die Blattverluste der Nymphenburger Alteichen sind im betrachteten Zeitraum von 2003 bis 2020 insgesamt gesunken. Die Maßnahmen sorgen für gesündere Altbäume, die helfen die Zeit zu überbrücken, bis der aktuell fehlende Nachwuchs wieder differenziert nachkommen kann.

Die Maßnahmen können mit vor Ort bereits verfügbarem Personal und Ausrüstung abgewickelt werden und sind relativ preisgünstig. Durch den Zeitpunkt für den Hauptaufwand im Gelände während der Winterzeit, sind die Maßnahmen gut in den gärtnerischen Arbeitsrhythmus einzutakten.

Problematisch ist für die Naturverjüngung jedoch der hohe Wildverbiss, der unbeabsichtigt bestimmte Baumarten „herauspflegt“; dies muss bei der Pflege der Gehölzbestände mit beachtet werden.

Erfolg

sehr guter Erfolg

Monitoring und Dokumentation

2003 wurden alle Eichen, die augenscheinlich älter als 50 Jahre sind von der BSV erfasst. Aus diesen 1.263 kartierten Bäumen wurde eine repräsentative Stichprobe (10%) ermittelt. In den Zeiträumen von 2003 bis 2011, 2012 bis 2015 und danach seit 2018 wurde der Gesundheitszustand der Alteichen erfasst. Dabei wurden die Kronenstruktur im laublosen Winterzustand und der Anteil des Blattverlustes im belaubten Sommerzustand ermittelt. Daneben werden auch Vergilbung der Blätter, Fruchtbestand und Schadfaktoren wie Hagel und Sturm, aber auch Insektenfraß und Pilzbefall erfasst.

Die Kronenzustandserhebung richtet sich dabei nach gängigen Verfahren der Waldzustandserhebung (für eine detaillierte Beschreibung des Verfahrens s. www.icp-forests.org). Zusätzlich wurde 2003 und 2006 der Brusthöhendurchmesser (BHD) der Stämme vermessen. Unmittelbar vor der Entnahme der benachbarten Bäume (2006) und nach fünf Vegetationsperioden (2010) wurden die Kronenprojektionsflächen aufgenommen.

Analyse

Heute sind die Alteichen im Nymphenburger Schlosspark nicht nur gestalterisch wertvolle Strukturelemente der Bestände, sondern auch wichtige Habitate für seltene holzbewohnende Insekten. Viele seltene und geschützte Käferarten finden in den Alteichen einen Lebensraum; zum FFH-Gebiet „Nymphenburger Park mit Allee und Kapuzinerhölzl“ und speziellen Kartierungen hierzu, s. Projekt: „Artenvielfalt im Gartendenkmal der Bayerischen Schlösserverwaltung“.

Umwelt- und Standortbedingungen / Rahmenbedingungen

Der Nymphenburger Schlosspark befindet sich in der Münchner Schotterebene. Daher sind sehr flachgründige Oberböden auf mächtigen Kiesschichten prägend für die Baumstandorte. Längere Trockenzeiten wie z. B. im Sommer 2015 bedeuten erhöhten Stress für die Gehölze.

Wetterdaten für München Stadt (Quelle: DWD)
Jahresmitteltemperatur (1991–2020): 9,7 Grad Celsius
Höchste Jahresmitteltemperatur (2018 und 2022): 11,3 Grad Celsius
Niedrigste Jahresmitteltemperatur (1996): 8,3 Grad Celsius
Absolutes Temp.maximum (2003): 37 Grad Celsius (gemessen in 2 m Höhe)

2022 lag die Jahresmitteltemperatur (1991-2020) mit 11,3 Grad Celsius über dem langjährigen Monatsmittelwert.

Jahresniederschlag im Mittel (1991-2020): 958,7 mm

Höchster Jahresniederschlag (2000): 1191,1 mm
Niedrigster Jahresniederschlag (2003): 656,9 mm

2022 lag die Jahresniederschlagsmenge mit 830,3 mm etwas unter dem langjährigen Jahresmittelwert.

Bemerkungen

Für die Erstellung und Ausführung des Konzeptes zur nachhaltigen Gehölzpflege ist waldbauliches Fachwissen zum natürlichen Gehölzwachstum und zur Dynamik in geschlossenen Gehölzbeständen nötig, das mit Zielstellungen der Gartendenkmalpflege zu einem Gesamtkonzept verwoben wird. Vor und während der Fällarbeiten sollten die Parkbesucher:innen durch Öffentlichkeitsarbeit für die Gründe und Ziele der Maßnahme sensibilisiert werden.

Autoren

Vera Donata Wesinger, Michael Degle | Gärtenabteilung, Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Laufende Betriebskosten

In der gartendenkmalpflegerischen Fachabteilung muss eine Zielvorstellung für die Gehölzbestände erarbeitet werden (Zeitaufwand sehr heterogen, je Anlage unterschiedlich). Die Gehölze müssen in Ortsbegehungen im unbelaubten Zustand durch eine:n Mitarbeitende:n der Fachabteilung markiert werden. Der Mehraufwand in der Gehölzpflege muss für eine Teilfläche alle 10 – 20 Jahre erbracht werden, dabei sind erhöhte Fällungsarbeiten während der winterlichen Fällperiode das zentrale Aufgabengebiet.

Kooperationspartner:innen

Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Projektlaufzeit

seit 2003

Download

Weiterführende Literatur

Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (Hrsg.) (2012): Schlosspark Nymphenburg –

Waldpflege als Denkmalpflege und Biotopschutz. LWF Wissen 68

Projekt: Artenvielfalt im Gartendenkmal (BSV)

Zuständige Schlösserverwaltung

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Kontakt

Vera Donata Wesinger

Gärtenabteilung, Bayerische Schlösserverwaltung

Schloss Nymphenburg, Eingang 42

80638 München

poststelle@bsv.bayern.de